321 - 2021 = 1700 Jahre Juden in Deutschland 1409 - 1942 = 500 Jahre Juden in Gerolzhofen
Die Gedenkveranstaltung - #weremember - im Rahmen des Festjahres 1700 Jahre Juden in Deutschland entstand im Zusammenwirken von KulturForum e.V. Gerolzhofen, VHS und Historischem Verein.
Wider das Vergessen – auf diesen einfachen Nenner lässt sich der Vortrag bringen, den Evamaria Bräuer am Sonntagnachmittag im Pfarrer-Hersam-Haus in Gerolzhofen zur Geschichte der einstigen jüdischen Einwohner Gerolzhofens hielt. Sie spürte dabei mit den rund 25 Zuhörern den Wurzeln jüdischer Familien nach, deren Schicksal sie akribisch recherchiert hat. Sie selbst bezeichnete ihre eineinhalbstündigen Ausführungen als Erinnerungsarbeit, als Erinnern an das geschehene Unrecht.
Rund 500 Jahre, bis ins frühe 15. Jahrhundert reichte die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Gerolzhofen zurück, als sie im Kriegsjahr 1942 ein gewaltsames Ende fand. Damals wurden die letzten in der Stadt verbliebenen Juden deportiert und ermordet. Einen ersten Höhepunkt hatte die Gewalt gegen Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten (NS) bereits vor 83 Jahren erreicht, als während des reichsweiten Pogroms am 10. November 1938 NS-Rollkommandos die Gerolzhöfer Synagoge schändeten und jüdische Einwohner tyrannisierten und zum Teil verhafteten – am helllichten Tag und vor den Augen aller.
Bräuer schilderte anhand einzelner Familiengeschichten die Wurzeln und Wege jüdischer Mitbürger, deren Grabsteine auf dem israelitischen Friedhof am Kappelberg heute oft Ausgangs- und erster Anhaltspunkt sind, wenn deren Nachfahren von Bräuer vor Ort etwas über ihre Ahnen und deren Leben erfahren möchten. Eines der geschilderten Beispiele vollzog die Reise eines alten jüdischen Gebetsbuches nach, das von Zeilitzheim in die USA, weiter nach Israel und schließlich wieder zurück nach Zeilitzheim gelangt ist. Das Büchlein - es war mehrere Generationen im Besitz seiner Familie- war Bräuer zufolge im Gepäck von Herbert Selig (1914-2018) bei dessen Emigration 1937 mit in die USA gereist. Dort arbeitete der junge Mann als Apotheker, bevor er 1973 nach Israel auswanderte. Bei einem Besuch in seinem Heimatort Zeilitzheim schenkte Selig, das im Jahr 1813 in Wien gedruckte Gebetbuch, der Gemeinde Kolitzheim. Die versprach, dieses restaurieren zu lassen und dann in Zeilitzheim auszustellen.
Betroffen macht das Schicksal der Familie Rheinfelder aus Gerolzhofen. Dem Familienvater Jakob Rheinfelder gelang es noch, nach mehrfacher willkürlicher Inhaftierung während der NS-Herrschaft (Juli 1939) in das damals japanisch kontrollierte Shanghai zu fliehen. Doch es gelang ihm dann nicht mehr, seine Frau Rosa und die beiden Buben Siegbert 13 J. und Werner 11 J. nachzuholen. Diese durften nach Kriegsbeginn nicht mehr ausreisen wurden deportiert und ermordet. 2021 im Frühjahr ließ das KulturForum e.V. Gerolzhofen, durch Einsatz des Städtischen Bauhofes, Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus in der Steingrabenstraße verlegen. So wurde die Familie, wenn auch nur symbolisch, wieder zusammen geführt.
Es gibt viele Formen des Erinnerns, machte die Referentin deutlich, sei es der Besuch von Gedenkstätten an den einstigen Vernichtungslagern der Nazis, der internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel oder hier vor Ort der Besuch des israelitischen Friedhofs oder der in der Stadt verlegten Stolpersteine, die an die Getöteten erinnern, die kein Grab haben.
Comments